Er schaut mir zu
Er schaut mir zu, wie ich im Wäschekorb wühle.
Ich suche mein schwarzes T-Shirt mit den langen Ärmeln, das ich sehr gerne trage, sehr gerne und sehr oft, und weil ich es sehr oft trage, ist es am Ärmelsaum bereits sehr gezeichnet.
Er schaut mir zu, wie ich es suche und finde, und wie ich daran rieche und meine Nase rümpfe und ihm sage, dass ich es bei der Gartenarbeit getragen habe.
Er gähnt, und ich sage ihm, dass diese Gartenarbeit über sechs Stunden lang gedauert hat. Sechseinhalb Stunden genau genommen, ohne dass ich eine Pause eingelegt hätte, und es zwischendurch sogar angefangen hatte zu regnen und kalt war und ich trotzdem schwitzte, also nass von innen nach außen wurde und von außen nach innen durch die Jacke, den Pullover und mein Lieblings-Shirt.
Er schüttelt den Kopf, gähnt anhaltend.
Ich hatte wirklich viel geschwitzt an diesem Vormittag, der sich unbemerkt in den Nachmittag geschlichen hatte, und Säcke mit Gartenmüll gefüllt und sie erst auf die Schubkarre gehievt und quer über das riesige Gartengrundstück gerollt und aus dem Gartentor hinaus zu meinem Auto, einem Kleinwagen, den ich mit Pappe ausgelegt hatte, um den Schmutz von den Sitzpolstern fernzuhalten. Die Säcke waren schwer vom feucht gewordenen Grünschnitt und dem Laub, das zum Teil vermodert war, und den dünnen Ästen und den dickeren, auf denen sich bereits Flechten ausbreiteten, die angefangen hatten das Holz zu zersetzen. Diese prall gefüllten Säcke hatte ich von der Schubkarre in mein Auto gehoben, obwohl der Arzt mir empfohlen hatte wegen einer bereits seit Wochen andauernden Armreizung, er nannte sie Tendinose, nicht schwer zu heben und einige Monate Geduld zur Schonung aufzubringen aber die Säcke, vielmehr das überschüssige Grünzeug, wollte ich unbedingt entsorgen und setzte deshalb ganz selbstverständlich meinen Arm ein, beide Arme, als sei nichts, und am nächsten Morgen, genau genommen schon in der Nacht, konnte ich mich kaum noch bewegen, die Arme fast gar nicht mehr, von den Handgelenken nicht zu reden, die nicht nur vom Herzerren der Säcke, auch vom Hochheben und Ins-Auto-Pressen und bei der Deponie wieder Herausziehen, kraftlos geworden waren, nicht nur kraftlos, sondern vollkommen schmerzerfüllt, so dass ich mir geschworen hatte, das nie wieder zu tun, nicht sechseinhalb Stunden lang hintereinander ohne Pause. Aber ihn, ihn interessiert das gar nicht.
So ist er.
Vielleicht kann ich das Shirt heute trotzdem noch einmal tragen, sage ich mehr zu mir als zu ihm. Es ist ja nicht wirklich schmutzig geworden, auch nicht fleckig, nur eben feucht, einmal durchnässt. Die Feuchtigkeit hatte ihm sogar wieder Farbe eingehaucht, ein tieferes Schwarz, kräftiger als zuvor, bis es wieder trocken geworden war. Das hatte lange gedauert, und ich erinnere nicht mehr, ob es überhaupt gelang an diesem Tag.
Er gähnt noch einmal. Die Augen, so kommt es mir vor, fallen ihm beinahe zu. Er bemüht sich, genau zu beobachten, was ich da tue. Er legt den Kopf ein bisschen zur Seite. Ich könnte vielleicht mit ein wenig Seife und warmem Wasser die Achselpartien reinigen. Wobei, je öfter ich an dem Shirt rieche, umso mehr verflüchtigt sich der Geruch, der mir erst unangenehm vorkam, durchaus mit einer Präsenz im Raum, und jetzt gar nicht mehr. Mit ein paar Tropfen meines Pamplelune-Duftes müsste das eigentlich ganz erfrischend riechen, so, als käme es gerade aus dem Schrank oder der Sommersonne, draußen von der Wäscheleine, die quer über die Wiese gespannt ist. Ich hebe das Shirt mit spitzen Fingern an beiden Schulternähten hoch, zu ihm hin, und frage, befrage mehr mich selbst: Was meinst du?
Wir sehen uns an und schweigen für einen Moment.
Und gerade als ich entschieden habe, es genau so zu machen, das Shirt vor der nächsten Wäsche noch einmal zu tragen, nicht lange, nur ein paar Stunden, nicht in einem öffentlichen Raum, mehr im Freien und nicht mit absehbarem Kontakt, da macht er den herabschauenden Hund.