die katze hätte

marlene schulz

Die Katze hätte unsere werden können


Wir hatten dieses Haus gesehen.
Unser letzter gemeinsamer Urlaub.
Das Hoftor hatte einen Spalt offen gestanden. Wir waren stehen geblieben, eine bunt gescheckte Katze lag langgestreckt in der Sonne. Du drücktest das Hoftor etwas weiter auf. Wir schauten in einen verlassenen Innenhof, der zu einem unbewohnten, heruntergekommenen Haus gehörte.
Komm, lass uns reingehen, sagtest du.
Das Haus hatte viele Rundbögen, die in den Innenhof führten und ihn mit einem über zwei Seiten gehenden Balkon aus verziertem Stein halb einrahmten. Ein Teil der Wände war in hellem Blau gestrichen, die Farbe größtenteils abgeblättert.
Du inspiziertest den Hof, gingst durch die Rundbögen, schautest nach den Räumen im Erdgeschoss, liefst die Treppe nach oben. Wenn das einstürzt, sagte ich noch, und blieb unten. Oben, am großen Balkon, der über zwei Seiten ging, standst du einen Moment, genau in dessen rechtem Winkel, der durch eine Rundung hin zum Hof hervorgehoben war und einer Kanzel glich. Ich sah dich an und dachte, welch Glück ich habe mit diesem Mann.
Wollen wir es kaufen?, riefst du mir zu. Ich lachte, dachte daran, wie leidig dir alles war, was mit Reparaturen im Haushalt zu tun hatte, viel lieber vergrubst du dich in deinen Büchern, konntest mehrere parallel lesen, manchmal last du mir einen Satz vor, den du besonders fandst. Ich konnte mich am Tapezieren erfreuen, malte gerne Wände an. In diesem Innenhof hätte ich sie alle im gleichen Himmelblau gestrichen wie sie einmal gewesen waren.
Das Haus zu kaufen wäre eine Gelegenheit gewesen, ja zu sagen, mit dir an diesen Ort zu ziehen, niemanden kennen, neue Kontakte knüpfen, unser Zuhause zurück, ein neues entstehen lassen, morgens auf dem steinernen Balkon frühstücken oder im Innenhof, von einem Raum zum nächsten gehen, spartanisch eingerichtet, wie ich es am liebsten hatte. Die Katze wäre unsere geworden.
Wir kauften das Haus nicht. Auf der Rückfahrt, eine Dreiviertelstunde bevor wir zuhause waren, sagtest du, es gäbe da noch eine andere Frau, du meintest, ich sollte das wissen, es hätte sich so ergeben, du hättest es gar nicht so eng werden lassen wollen, die erste Zeit sei es nur eine Affäre gewesen, aber jetzt liebtest du sie und du liebtest mich.
Es hatte angefangen zu regnen, zu viel um auf den Scheibenwischer verzichten zu können, so wenig, dass er quietschte, als er über die Frontscheibe stotterte.
Und jetzt, fragte ich? Ich nahm wieder und wieder einen Schluck Wasser aus der Flasche, setzte sie ab, um sie kurz danach wieder anzusetzen. Ich war froh, dass wir im Auto saßen, ich dich nicht ansehen musste, geradeaus auf die Straße, auf Felder und Häuser schauen konnte, die an uns vorbeiflogen.
Am liebsten, sagtest du, würde ich gerne mit euch beiden zusammen sein. Ich weiß, dass das funktionieren kann, wir wären nicht die ersten, bei denen das ginge. Ich kann mir sowieso niemand anderen besser vorstellen als dich, sagtest du zu mir, die das hinbekommen würde.
Es dauerte ein paar Monate, bis ich begriffen hatte, was du wolltest. Vor allem begriff ich, was ich nicht wollte. Als ich dir sagte, ich kann das nicht, warst du genauso fassungslos wie ich.
Das nicht zu können, was dir lieb gewesen wäre, bedeutete, dass wir am Ende unserer gemeinsamen Zeit angekommen waren. Es war vorbei.
Zuerst schrieben wir uns, du kurz, ich etwas länger, manchmal lang. Ich kann nicht viel schreiben, es tut zu weh, schriebst du, danach Stille. Sechs Wochen nichts von dir, ohne Ankündigung. Ich wartete, hoffte auf Worte von dir, die mich besser hätten verstehen lassen, kapierte erst nach einer Zeit, drei Wochen, vier, dass nichts kommen würde. Ein tiefer Schmerz bohrte sich in mich hinein.
Dann eine Nachricht. Ob ich meine, dass wir in ungewisser Zukunft einen entspannten, schmerzfreien Kontakt haben könnten.
Eine Woche rang ich mit mir, suchte nach Worten, drehte und wendete sie, legte sie beiseite, nahm sie wieder auf. Schließlich schrieb ich zurück. Nur ein Wort.
Wozu?

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